Veröffentlicht am März 11, 2024

Für Altbaubesitzer ist die 100%ige Gas-Autarkie in der Übergangszeit keine Illusion, sondern das Ergebnis präziser technischer Optimierung und intelligenter Steuerung.

  • Der Schlüssel liegt in der perfekten thermischen Schichtung des Pufferspeichers, um jeden Sonnenstrahl maximal zu nutzen.
  • Eine intelligent programmierte Heizungssteuerung, die der Solarenergie konsequent den Vorrang gibt, ist wichtiger als die reine Kollektorgröße.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Komponenten, sondern auf deren perfektes Zusammenspiel. Die wahre Effizienz entsteht durch die Optimierung des Gesamtsystems, von der Pumpenleistung bis zur Heizgrenze.

Die Gasrechnung flattert ins Haus und besonders in den Übergangsmonaten wie April, Mai, September und Oktober stellt sich für viele Besitzer von Altbauten dieselbe frustrierende Frage: Warum springt die Heizung an, obwohl die Sonne scheint? Die Idee, diese kostenlose Energie zu nutzen, ist naheliegend. Viele denken dabei an Solarthermie und verbinden damit die Hoffnung auf niedrigere Kosten. Doch oft bleibt es bei einer vagen Vorstellung, die von allgemeinen Ratschlägen wie „ein großer Speicher ist wichtig“ begleitet wird. Man unterscheidet hierbei klar von der Photovoltaik, die Strom erzeugt; die Solarthermie hingegen produziert Wärme – und genau hier liegt ein enormes, oft ungenutztes Potenzial.

Die gängige Annahme ist, dass eine Solaranlage die Heizung eben „ein bisschen unterstützt“. Doch was wäre, wenn die wahre Revolution nicht in der reinen Installation von Kollektoren liegt, sondern in der meisterhaften Feinabstimmung des Gesamtsystems? Was, wenn es möglich wäre, in den genannten Monaten die Gastherme komplett stillzulegen und zu 100 % autark zu heizen und duschen? Dieser Artikel bricht mit den oberflächlichen Ratschlägen. Wir tauchen tief in die technischen Details ein, die den Unterschied zwischen „ein wenig sparen“ und „völliger Unabhängigkeit“ ausmachen. Der Fokus liegt dabei gezielt auf den Herausforderungen und Lösungen für Bestandsbauten mit ihrem spezifischen Wärmebedarf.

Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden Stellschrauben Ihrer Heizanlage. Von der physikalischen Magie im Inneren Ihres Pufferspeichers über die intelligente Programmierung Ihrer Heizungssteuerung bis hin zu den oft übersehenen Risiken bei der Installation auf alten Dächern. Sie werden entdecken, dass 100 % solare Deckung in der Übergangszeit kein Zufall ist, sondern das Resultat von Wissen und präziser Optimierung.

Warum darf das kalte Rücklaufwasser die heiße Solarschicht nicht verwirbeln?

Der Pufferspeicher ist das Herz Ihrer solarthermischen Anlage, und sein Geheimnis ist die thermische Schichtung. Stellen Sie sich den Speicher nicht als einen Topf mit gleichmäßig heißem Wasser vor, sondern als einen Turm mit Wasserschichten unterschiedlicher Temperatur. Oben sammelt sich das heißeste Wasser, bereit zum Duschen oder Heizen. Unten befindet sich das kälteste Wasser, das zurück zu den Solarkollektoren gepumpt wird, um erneut aufgewärmt zu werden. Diese Schichtung ist entscheidend für die Effizienz. Wird sie zerstört, vermischt sich das wertvolle heiße Wasser mit kälterem Wasser, die nutzbare Temperatur sinkt rapide, und die Gastherme muss unnötigerweise anspringen.

Der größte Feind dieser Schichtung ist das kalte Rücklaufwasser aus dem Heizkreislauf, das mit zu hohem Druck in den Speicher zurückfließt. Es wirkt wie ein Quirl und zerstört die empfindlichen Temperaturschichten. Experten warnen, dass eine schlechte Schichtung zu einem Effizienzverlust von 20-30% führen kann. Der Unterschied zwischen einem perfekt geschichteten Speicher und einem durchmischten ist der Unterschied zwischen einer warmen Dusche rein aus Sonnenenergie und dem Geräusch der anspringenden Gastherme. Um diese wertvolle Schichtung zu schützen, sind gezielte Maßnahmen erforderlich:

  • Schichtladesystem: Spezielle Einbauten wie Schichtleitbleche oder -lanzen sorgen dafür, dass das einströmende Wasser sanft und auf der richtigen Temperaturhöhe in den Speicher geleitet wird.
  • Niedriger Volumenstrom: Die Solarpumpe sollte so eingestellt sein, dass sie das Wasser langsam durch die Kollektoren und in den Speicher befördert (optimal: 15-40 l/h pro m² Kollektorfläche), um Turbulenzen zu vermeiden.
  • Thermischer Siphon: Eine einfache, aber wirkungsvolle Rohrführung, die verhindert, dass durch Schwerkraftzirkulation Wärme aus dem Speicher entweicht und die Schichtung stört.
  • Position der Rücklaufeinspeisung: Der Anschluss für den Heizungsrücklauf sollte immer im unteren, kälteren Drittel des Speichers positioniert sein.

Wie programmieren Sie die Heizung, damit sie bei 15 Grad Außentemperatur nicht anspringt?

Die intelligenteste Solaranlage ist nutzlos, wenn eine „dumme“ Heizungssteuerung ihre Arbeit sabotiert. Das häufigste Problem in der Übergangszeit: Die Außentemperatur liegt bei milden 15°C, die Sonne scheint, der Pufferspeicher ist voll mit solarer Wärme – und trotzdem springt die Gastherme an. Der Grund ist eine falsch eingestellte Heizgrenztemperatur. Diese Einstellung sagt der Heizung, unterhalb welcher Außentemperatur sie mit dem Heizen beginnen soll. Oft ist sie werkseitig auf 15°C oder sogar höher eingestellt, ohne die solare Energiequelle zu berücksichtigen.

Für eine 100%ige Gas-Einsparung im Frühling und Herbst muss die Steuerung so programmiert werden, dass sie der Solarenergie absoluten Vorrang einräumt. Das Ziel ist es, die Heizgrenze so weit wie möglich abzusenken, idealerweise auf 10°C oder sogar noch tiefer. Die Heizung soll erst dann als „Notlösung“ einspringen, wenn der solar beheizte Pufferspeicher wirklich keine ausreichende Temperatur mehr liefern kann. Es geht also um ein aktives Heizgrenz-Management, das sich am Zustand des Speichers orientiert, nicht stur an der Außentemperatur.

Hand programmiert digitale Heizungssteuerung für Übergangszeiten

Die Praxis zeigt das enorme Potenzial dieser einfachen Anpassung. Ein typischer deutscher Haushalt mit einem gut dimensionierten 800-Liter-Pufferspeicher kann bei einer Speichertemperatur von 70°C einen 150m² Altbau oft für 24 bis 48 Stunden bei 10°C Außentemperatur warmhalten, ohne dass die Gasheizung anspringt. Die optimale Einstellung erfolgt so, dass die Heizung erst dann zuheizt, wenn die Solarthermie nicht mehr genug Wärme liefern kann. Viele Hausbesitzer berichten von Gaseinsparungen von bis zu 100% in den Übergangsmonaten allein durch diese Optimierung. Moderne Steuerungen erlauben oft die Programmierung einer „Solarvorrangschaltung“ oder die Definition von Temperaturschwellen im Speicher, die das Starten der Gastherme blockieren.

Glykol oder reines Wasser: Welches System ist wartungsärmer und effizienter?

Die Flüssigkeit, die durch die Kollektoren auf dem Dach zirkuliert, ist die Lebensader Ihrer Solaranlage. Hier konkurrieren zwei grundlegend verschiedene Philosophien: traditionelle Systeme mit einem Wasser-Glykol-Gemisch und moderne Aqua-Systeme, die mit reinem Wasser arbeiten. Für einen Altbaubesitzer, der auf langfristige Effizienz und geringen Wartungsaufwand Wert legt, ist dies eine entscheidende Weichenstellung.

Glykol-Systeme sind der etablierte Standard. Das Frostschutzmittel Glykol verhindert, dass die Flüssigkeit im Winter in den Kollektoren gefriert und diese zerstört. Dieser Schutz hat jedoch seinen Preis: Glykol hat eine geringere Wärmekapazität als reines Wasser, was die Effizienz um 5 bis 10 % reduziert. Zudem altert das Gemisch und muss alle 2-4 Jahre überprüft und gegebenenfalls kostspielig ausgetauscht und entsorgt werden. Aqua-Systeme hingegen nutzen die überlegene Wärmetransportfähigkeit von reinem Wasser. Sie umgehen das Frostproblem durch ein intelligentes „Drain-Back“-Prinzip: Wenn die Pumpe steht (z.B. nachts oder bei unzureichender Sonneneinstrahlung), läuft das Wasser aus den Kollektoren einfach in einen Auffangbehälter im Haus zurück. Dies macht sie nicht nur effizienter, sondern auch extrem wartungsarm und umweltfreundlich. Die folgende Gegenüberstellung verdeutlicht die langfristigen Unterschiede.

Wie die Experten von Paradigma Solarthermie hervorheben, werben Aqua-Systeme mit höherer Effizienz und Umweltfreundlichkeit, während Glykol-Systeme als frostsicherer gelten. Die Entscheidung hängt von den Prioritäten des Hausbesitzers ab, wie die folgende Analyse zeigt, die sich auf Daten von Paradigma bezieht.

Vergleich Glykol-System vs. Aqua-System über 15 Jahre
Kriterium Glykol-System Aqua-System
Anschaffungskosten Standard +10-15% höher
Wartungsintervall Alle 2-4 Jahre Alle 5-7 Jahre
Wartungskosten/Prüfung 150-300€ 50-100€
Effizienz (Wärmekapazität) -5 bis -10% 100% (Referenz)
Frostsicherheit Bis -25°C Patentierte Drain-Back-Systeme
Entsorgungskosten 50-100€ nach AVV Keine
Gesamtkosten über 15 Jahre ca. 1.500€ Wartung ca. 500€ Wartung

Das Risiko schwerer Kollektoren für alte Dachstühle bei Schneelast

Bei der Planung einer Solaranlage liegt der Fokus oft auf der Energieeffizienz. Doch gerade bei Altbauten schlummert ein oft unterschätztes Risiko im Verborgenen: die Statik des Dachstuhls. Ein moderner Solarkollektor wiegt bereits zwischen 20 und 25 kg pro Quadratmeter. Kommt im Winter eine massive Schneedecke hinzu, kann die zusätzliche Last schnell kritische Werte erreichen. Besonders in schneereichen Regionen Deutschlands ist eine sorgfältige Lasten-Analyse unerlässlich.

Deutschland ist in verschiedene Schneelastzonen eingeteilt. Während in der norddeutschen Tiefebene (Zone 1) die Zusatzlast moderat ist, müssen Dächer im Alpenvorland oder in den Mittelgebirgen (Zone 3) erheblich mehr Gewicht tragen können. Gemäß der Norm DIN EN 1991-1-3 müssen Dächer in Deutschland je nach Zone unterschiedliche Lasten aushalten, was bei einem Leergewicht von 20 kg/m² für den Kollektor plus bis zu 150 kg/m² Schneelast in Zone 3 eine Gesamtbelastung von über 170 kg/m² bedeuten kann. Alte Dachstühle, die vor Jahrzehnten nach ganz anderen Standards bemessen wurden, sind für solche Belastungen oft nicht ausgelegt.

Schneebedeckte Solarkollektoren auf altem Dachstuhl im Winter

Praxisbeispiel: Die Notwendigkeit der Statikprüfung

Eine statische Prüfung durch einen Tragwerksplaner ist für viele Gebäude, die vor 1980 errichtet wurden, nicht nur eine Empfehlung, sondern oft eine zwingende Voraussetzung für die Baugenehmigung und den Versicherungsschutz. Die Kosten für ein solches Gutachten, die laut Branchenexperten zwischen 400€ und 800€ liegen, sind eine Investition in die Sicherheit. Ignoriert man diesen Schritt, riskiert man nicht nur schwere Schäden am Gebäude durch Überlastung, sondern im Schadensfall oft auch den Verlust des Versicherungsschutzes. Kein Versicherer wird für einen eingestürzten Dachstuhl aufkommen, wenn keine nachgewiesene Statikprüfung vorliegt.

Wann schaltet die Gastherme dazu, wenn die Solarenergie im November nicht mehr reicht?

Wenn die Tage kürzer und die Sonnenstunden weniger werden, rückt der Moment näher, an dem die Solaranlage den Wärmebedarf nicht mehr allein decken kann. Der Übergang vom reinen Solarbetrieb zum hybriden Betrieb mit Gasunterstützung im November ist ein kritischer Punkt, der über die Effizienz des Gesamtsystems entscheidet. Ziel ist es, die Gastherme so spät und so selten wie möglich zu aktivieren. Dies wird über die sogenannte Hysterese der Heizungssteuerung geregelt.

Die Hysterese beschreibt die Temperaturdifferenz zwischen dem Einschalt- und Ausschaltpunkt der Zusatzheizung. Eine falsch eingestellte Hysterese führt zu einem ständigen „Takten“ der Gastherme – sie springt kurz an, heizt den Speicher minimal auf und schaltet sich wieder ab. Das ist extrem ineffizient und verschleißfördernd. Eine optimierte Einstellung sorgt dafür, dass die Gastherme erst dann anspringt, wenn die Temperatur im oberen Speicherbereich einen definierten Minimalwert (z.B. 45°C) unterschreitet. Sie heizt dann aber nicht nur um wenige Grad nach, sondern lädt den Speicher auf einen deutlich höheren Wert (z.B. 60°C) auf, um eine lange Laufzeit und eine anschließende lange Ruhephase zu gewährleisten. In Süddeutschland läuft die Gastherme im November im Schnitt an 15 Tagen, in Norddeutschland können es aufgrund der geringeren Sonneneinstrahlung bereits bis zu 25 Tage sein.

Für einen optimalen November-Betrieb haben sich folgende Einstellungen bewährt:

  • Einschalttemperatur (Gas): Auf einen relativ niedrigen Wert von 45°C am oberen Pufferspeicherfühler einstellen.
  • Ausschalttemperatur (Gas): Auf einen hohen Wert von mindestens 60°C setzen, um lange Brennerlaufzeiten zu erzwingen.
  • Zwei-Fühler-Strategie: Fortgeschrittene Steuerungen erlauben, die Gastherme nur dann zu starten, wenn sowohl der obere als auch der mittlere Speicherbereich unter einen Schwellenwert fallen.
  • Nachladezeiten begrenzen: Die Nachladung durch die Gastherme auf die Nachtstunden (z.B. 22-6 Uhr) beschränken, um der Sonne am Folgetag die Chance zu geben, die Arbeit zu übernehmen.

Warum reicht die Sonne von Mai bis September für 100% Ihres Duschwassers?

Während die Heizungsunterstützung eine anspruchsvolle Aufgabe ist, ist die vollständige Deckung des Warmwasserbedarfs im Sommerhalbjahr für eine korrekt dimensionierte Solarthermieanlage eine Standardübung. Von Mai bis September liefert die Sonne in Deutschland mehr als genug Energie, um eine Familie zuverlässig und zu 100 % solar mit warmem Wasser zum Duschen, Spülen und Waschen zu versorgen. Die Gastherme kann in dieser Zeit komplett im Urlaub bleiben.

Die Grundlage dafür ist die hohe Sonneneinstrahlung in diesen Monaten. Insbesondere in Süddeutschland werden in diesem Zeitraum oft weit über 1000 Sonnenstunden gezählt. Diese Energie reicht bei weitem aus, um den täglichen Bedarf zu decken. Eine Faustregel für die Dimensionierung besagt, dass pro Person im Haushalt etwa 1,5 m² Kollektorfläche und ein Speichervolumen von 80-100 Litern veranschlagt werden sollten. Für eine vierköpfige Familie bedeutet das also rund 6 m² Kollektorfläche und ein 300-400 Liter großer Speicher.

Eine solche Anlage ist in der Lage, auch an bewölkten Sommertagen genügend Energie zu „ernten“ und für sonnenärmere Phasen zu speichern. Der Speicher überbrückt problemlos ein oder zwei Tage ohne direkten Sonnenschein. Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch für eine vierköpfige Familie, wie der solare Ertrag den Bedarf im Sommerhalbjahr souverän übersteigt.

Warmwasserbedarf vs. Solarertrag für 4-köpfige Familie (Mai-Sept)
Parameter Täglicher Bedarf Solarertrag Mai-Sept
Warmwassermenge 160 Liter bei 45°C 200-250 Liter äquivalent
Energiebedarf 6-8 kWh 8-12 kWh
Kollektorfläche benötigt 1,5m² pro Person
Speichergröße optimal 300-400 Liter
Deckungsgrad 100% 100% (Mai-Sept)

Das Wichtigste in Kürze

  • 100% Gasersparnis in der Übergangszeit ist im Altbau durch präzise Systemoptimierung, nicht durch überdimensionierte Anlagen, erreichbar.
  • Der Schutz der thermischen Schichtung im Pufferspeicher ist die wichtigste Einzelmaßnahme zur Maximierung der solaren Ausbeute.
  • Eine intelligente Heizungssteuerung, die der Solarenergie konsequent Vorrang gibt, ist entscheidender als die reine Kollektorfläche.

Wann macht ein Hybrid-System aus Gas und Wärmepumpe im ungedämmten Haus Sinn?

Für viele Besitzer von ungedämmten Altbauten scheint der Weg zur vollständigen Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen weit. Eine reine Wärmepumpe arbeitet in einem solchen Gebäude mit hohen Vorlauftemperaturen oft ineffizient. Hier kommt die Hybridheizung ins Spiel: eine intelligente Kombination aus einer bestehenden Gas- oder Ölheizung und einer neuen Wärmepumpe, oft ergänzt durch Solarthermie. Dieses System ist keine Übergangslösung, sondern eine pragmatische und hochwirksame Antwort auf die energetischen Herausforderungen von Bestandsbauten.

Der Kerngedanke ist, die Stärken beider Welten zu nutzen. Die Wärmepumpe arbeitet bei milden Außentemperaturen (z.B. über 0°C bis 5°C) hocheffizient und deckt die Grundlast. Erst wenn es richtig kalt wird und die Effizienz der Wärmepumpe sinken würde, schaltet die Steuerung automatisch auf die Gasheizung um, die dann die Spitzenlast abdeckt. Dieser Umschaltpunkt wird als bivalenter Punkt bezeichnet. So wird der Gasverbrauch drastisch reduziert, ohne dass aufwändige und teure Dämmmaßnahmen am Gebäude sofort erforderlich sind.

Praxisbeispiel: Hybridheizung im 70er-Jahre-Altbau (160m²)

Ein typischer deutscher Altbau aus den 1970er-Jahren mit 160m² und alten Heizkörpern kann durch eine Hybridlösung die Heizkosten um 40-50% senken. Die Kombination aus Wärmepumpe und bestehender Gasheizung, idealerweise unterstützt durch eine Solarthermieanlage für das Warmwasser, stellt eine wirtschaftlich sinnvolle Modernisierung dar. Der bivalente Punkt liegt in solchen Gebäuden meist bei etwa 0°C bis 2°C Außentemperatur – darüber arbeitet die Wärmepumpe effizient, darunter übernimmt die Gasheizung.

Diese pragmatische Herangehensweise wird auch von offizieller Seite als sinnvoller Weg für die Energiewende im Gebäudebestand anerkannt. So heißt es im Förderleitfaden des BAFA (Bundesförderung für effiziente Gebäude), die Hybridheizung sei „die pragmatische Antwort auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) für Millionen von deutschen Bestandsbauten“. Sie ermöglicht eine sofortige und erhebliche CO2-Reduktion, ohne die Besitzer mit einer kompletten und sofortigen Sanierungspflicht zu überfordern.

Funktioniert eine Wärmepumpe in Ihrem Haus auch ohne Fußbodenheizung effizient?

Ein hartnäckiger Mythos besagt, dass Wärmepumpen nur in Neubauten mit Fußbodenheizung effizient arbeiten. Das ist falsch. Auch in vielen Altbauten mit klassischen Heizkörpern kann eine Wärmepumpe sinnvoll betrieben werden – vorausgesetzt, die Systemtemperaturen sind nicht zu hoch. Die entscheidende Frage ist: Kommen Ihre vorhandenen Heizkörper mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 55°C aus, um das Haus auch an kalten Wintertagen warm zu bekommen? Wenn die Antwort „Ja“ lautet, steht dem Einsatz einer Wärmepumpe oft nichts im Wege.

Eine zu hohe Vorlauftemperatur zwingt die Wärmepumpe zu einem ineffizienten Betrieb und treibt die Stromkosten in die Höhe. Ob Ihre Heizkörper „wärmepumpentauglich“ sind, können Sie mit einem einfachen Test selbst herausfinden. Dieser Test simuliert den Betrieb mit einer Wärmepumpe und gibt eine klare Indikation über die Machbarkeit. Zusätzlich ist ein hydraulischer Abgleich unerlässlich. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass alle Heizkörper im Haus gleichmäßig mit der richtigen Menge an Heizwasser versorgt werden. Allein ein hydraulischer Abgleich kann die Effizienz um bis zu 15% steigern und ist oft wichtiger als der Austausch einzelner Heizkörper.

Ihr Aktionsplan: Heizkörper-Check für Wärmepumpentauglichkeit

  1. Vorlauftemperatur testen: Stellen Sie an einem kalten Wintertag (unter 0°C) die maximale Vorlauftemperatur Ihrer bestehenden Heizung manuell auf 55°C ein.
  2. Raumtemperatur prüfen: Beobachten Sie über mehrere Stunden, ob alle Räume im Haus noch eine angenehme Temperatur erreichen. Drehen Sie dazu alle Thermostate voll auf.
  3. Heizkörpertyp bestimmen: Identifizieren Sie Ihre Heizkörper. Moderne, mehrlagige Niedertemperatur-Heizkörper (z.B. Typ 22 oder 33) sind ideal, da sie eine große Oberfläche haben.
  4. Hydraulischen Abgleich durchführen: Lassen Sie von einem Fachbetrieb einen hydraulischen Abgleich durchführen. Diese Maßnahme wird oft von der BAFA gefördert und kostet zwischen 500€ und 1500€.
  5. Ergebnis bewerten: Wenn Ihr Haus im Test warm geblieben ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Wärmepumpe eine gute Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,0 oder höher erreichen kann und somit effizient arbeitet.

Bevor Sie also teure Heizkörper austauschen, sollten Sie durch diesen Test und den hydraulischen Abgleich das volle Potenzial Ihres bestehenden Systems ausschöpfen. Oft ist mehr möglich, als man denkt.

Der Weg zu mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist ein Prozess der schrittweisen Optimierung. Beginnen Sie noch heute damit, das Potenzial Ihres Hauses zu analysieren und die richtigen Weichen für eine effiziente und nachhaltige Heizzukunft zu stellen.

Geschrieben von Dr. Sabine Klein, Zertifizierte Energieeffizienz-Expertin (dena-gelistet) und promovierte Maschinenbauingenieurin mit Schwerpunkt auf regenerativen Heizsystemen und Bauphysik. Über 12 Jahre Praxis in der energetischen Fachplanung und Fördermittelberatung.